Wenn du beim Spaziergang die Hand deines Partners ergreifst und hältst
Dieses Bild erzeuge ich gerne, wenn ich an der Anlehnung arbeiten will: Sich anlehnen an eine Person, der du vertraust. Wobei der deutsche Begriff der Anlehnung manchmal an das Bild von „Drauflegen“ erinnert. Das englische Wort „contact“ kann wieder zu mehr Leichtigkeit verhelfen. Aber egal, wie man es nennt, eine gute Anlehnung ist zunächst mal für jedes Pferd-Reiter-Paar individuell und verändert sich einerseits mit steigendem Ausbildungsstand, aber auch in jeder Einheit.

Zusammenspiel mit Takt und Losgelassenheit
Die Skala der Ausbildung scheint oft aufgebaut wie eine Treppe, allerdings sind Takt, Losgelassenheit und Anlehnung nicht voneinander zu trennen und bilden das Fundament der Ausbildung. Alle drei bedingen einander! Allerdings bestimmt, wie so oft, das Pferd, worauf man zunächst den Fokus legt. Manche Pferde sind krumm und schief und laufen mit hochgerecktem Kopf einen wunderbar klaren Takt, die Füße bewegen sich wie ein Metronom. Das sehe ich oft bei Spaniern. Ein Gangpferd wird das wohl kaum schaffen, da es ja mehr Gänge sortieren muss. Mein Kaltblutmix zum Beispiel hat von vornherein eine gute Anlehnung angeboten. Doch sobald man nach etwas Dehnung fragte, ging das Vorwärts verloren – ein Taktverlust, der oft schwer wiederherzustellen ist.
Ergänzen möchte ich an dieser Stelle, dass auch jeder der anderen Punkte (Geraderichtung, Schwung, Versammlung) schon durchaus seine Berechtigung in der Ausbildung des Pferdes haben kann. Es ist alles eine Frage der Dosis und des Zeitpunkts. Bei einem sehr schiefen Pferd wird man früh daran arbeiten müssen, es gerade zu richten, denn sonst kann es sein, dass es niemals seinen Takt finden wird.
Das Gefühl
Als ich mein Pferd angeritten habe, war ich verwundert, wie schnell sie anfing, sich den Zügel zu Hilfe zu nehmen. Ich dachte zunächst, das es sich zu schwer anfühlte, aber irgendwie verbesserte sich alles für einen kurzen Moment! Der Gedanke, dass das Pferd sich auf den Zügel legt, kommt schnell und da ist die Unterscheidung sehr vom eigenen Gefühl abhängig. Es muss sich für beide Seiten angenehm anfühlen, wenn du also das Gefühl hast, du trägst das Pferd, dann ist es zu viel!
In neuen Lektionen kann sich dieses Gefühl vom Anfang wieder verstärken. Allerdings sollte man bedenken, dass jede Art von Bewegung wie eine Lektion zu behandeln ist. Eine Ecke zu durchreiten, eine halbe oder ganze Parade, ein Übergang, Schulterherein, Antraben, Angaloppieren sind zunächst mal gleich zu bewerten, manche leichter, manche schwieriger und erfordern in jedem Falle mehr oder weniger Übung.
Wenn das Pferd eine Lektion lernt, muss es sein Gleichgewicht finden, die Anlehnung hilft ihm dabei. Je besser es sich darin ausbalanciert, desto weniger wird es die Anlehnung benötigen und irgendwann kann es den Anschein haben, als wäre die Anlehnung nicht mehr da. Auch wenn der Zügel durchhängt oder gar ganz weggelassen wird, etwa beim Reiten mit dem Halsring, bleibt sie meiner Meinung nach als Gedankenkonzept erhalten und ist die Folge guter Ausbildung.
Aufgabenverteilung
Die Aufgabe des Reiters ist es, die Voraussetzungen zu schaffen, dass das Pferd die Anlehnung zunächst sucht und dann auch immer länger halten kann.
Die Aufgabe des Pferdes ist eine positive Spannung, eine effektive Kraftübertragung aus der Hinterhand über die Bewegungsmuskulatur nach vorne zurück in den Zügel zur Hand des Reiters.
Das Ideal
Natürlich verhält sich nur das Pferd im Lehrbuch wie das Ideal. Den Satz wirst du bestimmt noch einige Male bei mir lesen. Aber trotzdem möchte ich das Ideal einmal durchsprechen, damit du weißt, wonach du Ausschau hältst.
Ausgehend von der oben beschriebenen Aufgabenverteilung sollte der Reiter einen leichten stetigen Kontakt über den Zügel halten. Weder zu fest noch schlackernd oder springend und ganz wichtig, beide Zügel gleichmäßig. Ein positiv mitschwingender Sitz mit guter Rumpfstabilität ist die Voraussetzung, dafür, dass der Reiter seine Hände frei tragen und bewegen kann. Nur daraus sind Zügelhilfen möglich, die unabhängig vom Sitz sind. Und auch nur dann ist die Arm- und Handmuskulatur locker genug, Informationen vom Pferd über den Zügel zu empfangen.
Daraus wird der Reiter dem Pferd über geschickte Linienführung, Lektionenabfolgen und Hilfengebung seine Aufgabe vermitteln können. Dadurch löst sich das Pferd, es wölbt den Rücken auf und wenn dann die für Bewegung zuständigen Muskeln ihren Job tun können, wird die Rumpftragemuskulatur effektiv gestärkt und befähigt das Pferd, den gehobenenen Rücken länger dort zu tragen. Umso wichtiger sind hier regelmäßige Pausen. Ein Pferd wird nicht von Anfang an, Rücken und Brustkorb dauerhaft oben halten können, das müssen wir mit ihm trainieren!
Sitz und Hilfengebung
Über den freien, stabilen Sitz als Voraussetzung sprach ich schon, denn nur daraus ist eine unabhängige Hilfengebung möglich. Konkret geht es um die Reaktion auf die sich verändernden Balancezustände. Das ist gemeint, wenn man vom Zusammenspiel von treibenden und verhaltenden Hilfen spricht. Eine kleine Parade, um ein wenig mehr Last auf die Hinterhand zu bringen, was eigentlich bedeutet, dass das jeweilige Hinterbein ein wenig länger am Boden stehen bleibt. Wenn sich dabei die Gelenke des Hinterbeins beugen, arbeiten wir schon in Richtung Versammlung und bringen eine erhöhte Spannung in die Muskulatur.
Auf die versammelnde Hilfe kann eine treibende Hilfe folgen, das lädt die Muskulatur ein, sich wieder ins Vorwärts zu strecken. Der Wechsel trainiert die Muskulatur sehr effektiv und sollte das Pferd dazu bringen wollen, sich etwas an die Hand zu dehnen. Dort kann der Reiter diesen Zug sanft empfangen und begleiten.
Wichtig ist, dem Pferd jeweils Zeit zu geben, auf die Hilfe zu reagieren und nicht beides, also Vorwärts und Verhalten, gleichzeitig zu fordern. Außerdem könnte sich dadurch eine falsche Verknüpfung aufbauen und das Pferd lernt, auf eine verhaltende Hilfe schneller zu werden.
Eine andere Möglichkeit ist das Lösen über häufig wechselnde Biegungen. Hufschlagfiguren in allen Varianten und viele Handwechsel lockern das Pferd. Auch hier sollte der Zügel elastisch dem Pferd angepasst werden. Das ist schwieriger, wenn innerer und äußerer Zügel oft wechseln. Der Reiter sollte üben, den Zügel leicht durch die Hand gleiten zu lassen und ihn ebenso sanft wieder aufzunehmen.

